Lebenszeit – Yoga im Jetzt. Inspiration für die Yoga- und Lebenspraxis

Lebenszeit – Yoga im Jetzt

Ein Interview mit Farina Kuklinski

Das Buch »Lebenszeit – Yoga im Jetzt« von Milena Willbrand und Farina Kuklinski ist eine Inspiration sowohl für die Yoga- als auch für die Lebenspraxis und ist auf eine ganz besondere Art entstanden. Es lädt uns dazu ein immer wieder zum Buch zu greifen, ein paar Seiten zu lesen, die Worte nachwirken lassen und uns selbst die Frage zu stellen: wollen wir unsere kostbare Lebenszeit im Gestern oder Morgen verschwenden – oder wollen wir bei uns im Jetzt sein?

"Besser als jetzt wird das Leben nie mehr, niemals besser als jetzt."

Milena Willbrand

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Farina Kuklinski

Farina Kuklinski ist die Tochter von Milena Willbrand. Sie lebt und arbeitet als selbstständige Illustratorin und Künstlerin in Köln. Sowohl mit Malen als auch mit Yoga kam Farina das erste Mal im frühen Kindesalter in Berührung und praktizierte später zusammen mit ihrer Mutter in Aachen Yoga. Beides begleitet sie bis heute. Nach dem Tod ihrer Mutter, nahm sie sich zur Aufgabe das „angefangene Buch“ von Milena Willbrand fertig zu stellen und bereicherte das Buch darüberhinaus durch persönliche Texte zur Entstehungsgeschichte und eigenen Collagen.

Milena Willbrand

Milena Willbrand unterrichtete mehr als 33 Jahre einen intuitiven Yogastil nach Vanda Scaravelli. Als eine der ganz wenigen Unterrichtenden in Deutschland konnte sie bei Sandra Sabatini lernen, einer persönlichen Schülerin von Scaravelli. In der Essenz durften sich die Schüler:innen in ihren Stunden wie eine Blume aus der Mitte heraus öffnen, erblühen in den Bewegungen, vom Körper und dem Leben geführt – intuitiv. 1995 gründetet Milena Willbrand ihre eigene Yogaschule in Aachen und unterrichtete dort bis 2021 in Gruppen- oder Einzelstunden Yoga nach Vanda Scaravelli und B.K.S. Iyengar. Gesundheit und Gleichgewicht als Essenz eines heilen Lebens führten ihr Interesse zu einer Ausbildung in Craniosacraler Biodynamik, der später noch ein Abschluss als Heilpraktikerin für Psychotherapie folgte. Ihre langjährige Arbeit, ihre intensive Auseinandersetzung mit Yoga, ihr Einfühlungsvermögen und ihre Beobachtungsgabe machten ihren Stil einzigartig und kostbar.

Interview

Worum genau geht es in dem Buch und an wen richtet sich das Buch?

Farina: „Lebenszeit“ erzählt vom Leben, vom Sein, vom Fühlen, vom Hören, vom Gehen, vom Loslassen, vom Innehalten, von Heilung, von unserer Intuition und vom Jetzt. Von Yoga. Natürlich! Vom Leben, vom Tod und dem Weg dazwischen. Dem Weg mit Yoga. Dabei spielt es keine Rolle, ob du Yoga bereits praktizierst, es noch vorhast oder vielleicht auch nicht. Denn dieses Buch betrifft jede und jeden. Es betrifft dich, deine Seele und deinen Körper. Es geht um dich und um dein Leben. Das Buch kann dich in deiner Übungs- oder Unterrichtspraxis begleiten. Es kann dich aber auch in anderem Momente im Leben unterstützen, Halt geben und trösten, denke ich. Eine Leserin schrieb mir: "Dieses Buch hat mich wieder ein Stück weiter zu mir selbst gebracht und ich danke deiner Mutter, Dir und allen die an diesem Buch beteiligt waren, dass es so sein darf!"

Das „Jetzt“, im „Jetzt sein und leben“ ist das übergeordnete Thema dieses Buches. Warum erscheint es so wichtig im „Jetzt anzukommen“ und warum ist es oftmals gleichzeitig so schwierig?

Farina: Ich denke gerade am Ende des Lebens spürt man das Jetzt sehr stark. All der Besitz, all die Sorgen, all die Ängste, Schmerzen, all das was war und was hätte sein können, lösen sich auf, werden unwichtig. Vergangenheit und Zukunft werden unwichtig. Meine Mutter beschreibt es in ihrem Buch so: "Die Gegenwart ist das Feld, in dem ich lebe und mich bewege, in dem ich sein kann. Vergangenheit und Zukunft treten zurück, denn nur im gegenwärtigen Moment mache ich meine Erfahrungen. [… ] Im Yoga stützen wir uns auf das, was schon da ist, vertrauen der Kraft, die wir alle in unserem Körper, Geist und unserer Seele tragen. In uns gibt es eine unglaubliche, wissende Intelligenz, die uns schützt, leitet und führt."
Wäre es nicht unglaublich erleichternd und vertrauensvoll, wenn wir uns von unserer Intuition führen lassen könnten und so immer wissen, was als nächstes zu tun ist? Ich denke Yoga ist ein Weg uns selbst wieder zuzuhören und zu vertrauen. Aber dafür bedarf es Geduld, Ruhe, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit mit sich selbst. Ich denke, genau das ist oft gar nicht so einfach, weil es eben so unglaublich einfach ist, sich ablenken zu lassen.

"Was wirklich zählt, was wirklich von Bedeutung für mein Leben ist, ist das, was ich jetzt erlebe, was ich fühle, was dabei ist sich zu entwickeln und im Werden begriffen ist."

Milena Willbrand

Wie können wir die Yogaphilosophie auch in unserem Alltag außerhalb der Matte leben?

Farina: Das Yogasutra, der achtfache Pfad des Patañjali, ist eine zentrale Grundlage und Leitfaden der Yogaphilosophie. Wir finden im Yogasutra keine Regeln, Verbote oder Anweisungen, sondern Hinweise, die hilfreich auf unserem Weg zu einer vertieften Wahrnehmung des Lebens sein könnten. Das Sutra zeigt uns einen Weg des beständigen Übens, der zur Ausrichtung des Geistes führen kann und somit zum Verweilen bei dem, was wir gerade – jetzt – tun.
Üben können wir immer und überall – auf der Yogamatte, beim Warten auf den Bus oder beim Wäsche aufhängen. Wir widmen uns dem Moment mit all unserem, Sinnen, unserem Sein und beobachten.

Was sind deine drei persönlichen Tipps für mehr im Jetzt sein?

Farina: Ich persönlich finde einfache Übungen sehr wirkungsvoll, die überall und jederzeit umzusetzen sind und einen direkten Einfluss auf mein Empfinden haben. Beispielsweise kann ich zwischendurch einfach mal die Augen schließen und mich den Umgebungsgeräuschen hingeben. Das bewusste Wahrnehmen von Klängen, sei es das sanfte Rauschen des Windes oder entfernte Alltagsgeräusche, schafft eine Verbindung zur Umgebung und ermöglicht eine kostbare Auszeit vom hektischen Alltag. Genauso effektiv sind bedachte Atemzüge, begleitet von der bewussten Wahrnehmung des festen Bodens unter meinen Füßen. Diese Atemübungen verschaffen mir nicht nur eine momentane Entspannung, sondern verankern mich auch im Hier und Jetzt. Die spürbare Verbindung zum Boden gibt mir ein Gefühl der Erdung, welches inmitten von Stress und Hektik eine beruhigende Konstante darstellt. Eine weitere schöne Übung ist die Idee, die gegenwärtige Tätigkeit mit voller Hingabe auszuführen, unabhängig von ihrer vermeintlichen Bedeutung. Das ermöglicht es mir eine tiefe Sinnhaftigkeit auch aus den kleinen, alltäglichen Handlungen zu ziehen. Selbst das vermeintlich Banale, wie das Ausräumen der Spülmaschine, wird zu einem bedeutsamen Akt. Diese Herangehensweise betont die Schönheit der Gegenwart und eröffnet einen Raum für Achtsamkeit, indem jede Handlung als etwas Kostbares betrachtet wird, das im gegenwärtigen Moment seinen Platz findet. In der Summe bilden diese scheinbar einfachen Übungen eine transformative Praxis, die nicht nur das Bewusstsein schärft, sondern auch die Fähigkeit stärkt, im Hier und Jetzt zu verweilen und die Schönheit des Augenblicks in all seiner Einfachheit zu schätzen.

Welches ist die besondere Entstehungsgeschichte dieses Buches?

Farina: Das Besondere an diesem Buch ist, dass nicht meine Mutter Milena Willbrand (die eigentliche „Haupt“-Autorin dieses Buches) das Buch zu Ende schreiben konnte, da sie leider an Krebs erkrankte und daran im Sommer 2021 verstarb. Meine Mutter hatte mir aber die letzten Jahre vor ihrem Tod immer wieder davon erzählt, dass sie dabei war ein Buch zu schreiben. Ihr Buch über Yoga.
Nach ihrem Tod fand ich nun ein unvollendetes Manuskript und stapelweise Notizen – schriftliche Aufzeichnungen und Gedanken. Ihr gesamtes Arbeitszimmer war im Prinzip ein Archiv ihrer Arbeit und ihres Lebens mit Yoga der letzten 30 Jahre! Alles sorgfältig in Büchern und Ringblöcken mit Daten versehen und festgehalten. Sogar das Inhaltsverzeichnis des Buches stand bereits fest. Viele Texte waren angefangen oder sogar schon fertig. Es war also eigentlich alles da. Die Texte mussten nur noch ein wenig strukturiert und Lücken gefüllt werden. Intuitiv wusste ich, ich möchte dieses wertvolle Geschenk, das meine Mutter mir und der Welt hinterließ, fertig stellen.

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Hast du die „Lücken gefüllt“?

Farina: Nein, ich wusste schnell, dass ich bei dem Buch Unterstützung benötigen würde. Nur wenige Tage nach dem Tod meiner Mutter organisierte ich mit ihrer Schwester, meiner Tante, eine Trauerfeier in der Yogaschule meine Mutter. Wir nahmen uns vor von der Idee des Buches auf der Trauerfeier zu erzählen und waren uns sicher, dass wenn es so sein soll, sich eine glückliche „Fügung“ zeigen würde. Und so war es tatsächlich! Eine ehemalige Schülerin meldete sich und verkündetet, dass sie von Beruf Autorin, Schreibcoach und Ghostwritern sei. So war schnell klar, dass ich mit der Autorin und ehemaligen Schülerin meiner Mutter, Andrea Goffart, das Buch inhaltlich fertig stellen würde. Gemeinsam sichteten wir Texte, strukturierten, sortieren und Andrea füllte die fehlenden Stellen mit ihrer einfühlsamen Art und Fähigkeit Milenas Schreibstil anzunehmen.

Aber auch du hast in dem Buch mit persönlichen Texten mitgewirkt, oder?

Farina: Ja, auch hier bin ich wieder meiner Intuition nachgegangen. In meinem Vorwort und Nachwort habe ich mich stark in dem Buch geöffnet. Ich gebe intensive Einblicke in die Beziehung zwischen meiner Mutter und mir, den gemeinsamen Weg und meinen Gefühlen meine Mutter bis zum Tod zu begleiten. Dies war eine sehr besondere Zeit, in der ich mich oft selbst wie in einer „Zwischenwelt“ gefühlt habe. Trotz aller Trauer, ist es immer noch ein großes Geschenk für mich und hat mich für meinen weiteren Lebensweg sehr geprägt.
Meine Mutter beschreibt in ihren Texten vieles, was ich in den letzten Wochen ihrer Krankheit zusammen mit ihr erleben durfte, als Erfahrung des Lebens bis zum Tod und darüber hinaus. Das, was sie beschreibt, was sie durch Yoga erkannte, waren ähnliche Gedanken, Gefühle und Erkenntnisse, die ich während ihres Krankheitsverlaufs und mit ihrem Tod bei mir beobachten konnte. Eine besondere Erfahrung.

"Ich habe keine Angst etwas zu verlieren, ich fühle mich ganz voll – voll vom Leben"

Milena Willbrand

Du selbst bist Illustratorin und Künstlerin und hast deine Collagen mit in das Buch einfließen lassen. Warum passen Yoga und Malen so gut zusammen?

Farina: Beides sind Möglichkeiten deine Intuition anzusprechen und dich durch die Aktivität „Yoga Üben“ oder „Malen“ auf eine meditative Art ins Jetzt zu holen. Sowohl auf der Matte als auch mit Pinseln und Farben in der Hand bin ich viel mehr im Moment, im Jetzt, als sonst. Ich mache mir weniger Gedanken, sondern gebe mich dem Vorgang hin. Ich lasse mich führen und lasse entstehen. Dabei bin ich offen für das, was ist, was kommt und versuche mich frei zu machen von eigenen Ansprüchen und Erwartungen.

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